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Nachruf

Nachruf (Gedicht)
 

Standpunkte

Standen beim Schreiben zunächst die Historie, Mythen und Sagen von Mitteldeutschland im Vordergrund, so vollzog sich allmählich ein Wechsel hin zur satirischen Kurzprosa. Ein Paradigmenwechsel zum Roman folgt nun. In jedem Falle werden die Höhenflüge, Ausblicke und Abstürze ein weites Themenfeld in der Auseinandersetzung bleiben, besonders im Hinblick auf die Stetigkeit der Kuriositäten des Lebens in ihrer oft überraschenden Wiederkehr. Wir erfahren im Leben, alle Dinge kehren zu dem zurück, worin sie ruhen.

Was die literarischen Vorbilder anbelangt, so läßt sich sagen: Nicht wenige würden im 21. Jahrhundert etwas anderes erwarten, als ausgerechnet die Deutsche Klassik und die Deutsche Philosophie, doch sie sind das Fundament unserer Literatur seit langer Zeit zu Recht.

Nur wer sich mit der Tiefe des Wortes beschäftigt, wer sich der Mühe unterzieht, das besinnliche Denken mit dem rechnenden Denken in unserer Zeit zu vergleichen, wird sich auch der Einsicht öffnen können, wie oft wir unfreiwillige Mitspieler in einer Komödie sind, ohne es immer gleich zu bemerken.

Der Mensch ist nun einmal der Wahrheit übereignet, weil die Wahrheit den Menschen braucht, doch auch die Wahrheit ist, ganz unabhängig vom Menschen, eben das, was sie ist.

In unserer Zeit der Hochtechnologie wird der Mensch immer mehr zu einer randständigen Figur. Eine wachsende Zahl von Menschen wird überflüssig. Es geht um Optimierung, die Ausmessung von Ineffizienzien, dies ist der Mythos des 21. Jahrhunderts. Die Digitalisierung verändert das Denken, das Handeln und das alltägliche Leben Schritt für Schritt. Die Technologie ergreift vom Menschen Besitz, der dabei ist, seine Bodenständigkeit zu verlieren. Der technologische Fortschritt ist atemberaubend. Aber wie man längst erkannt hat, ist auch die Gedankenlosigkeit ein unheimlicher Gast, der in unserer Welt aus- und eingeht. Der Mensch selbst scheint entschlossen, zu einem neuen Menschen werden zu wollen. Durch die Gentechnik und die Implantierung technologischer Produkte wird er zu einem neuen künstlichen Gebilde, welches aus dem rechnenden Denken entsteht. Ein scheinbares Mangelwesen rüstet sich auf, mit unvorhersehbaren Folgen für Witz und Humor.

Wie wird die Zukunft aussehen, von der immer mehr sagen, daß sie nicht mehr das sei, was sie einmal war, in der Vorstellung kühner Träume. Im Grunde ist es trivial, es ist nachlesbar in vielen uralten Schriften: Der Mensch gehört zu dem, worauf er wartet. Wenn es sein muß, knietief im Dispo. Manche meinen, es wäre an der Zeit, eine Nachricht in die Vergangenheit zu senden, wenigstens die schlimmsten Fehler sollten korrigiert werden. Was dies anbelangt, so bin ich ausgesprochen skeptisch, denn so wie es augenblicklich aussieht, gelingt dies nicht einmal in der Zukunft. Aber immerhin ist die Fiktion vom Sinn aufrechterhaltbar durch neue Ideen. Die Grenzen der Welt erweitern sich. Einer Eroberung des Weltraums schließt sich die der Planeten an, mit Zweizimmerwohnungen samt Einbauküchen auf dem Mars. Manches verliert und manches gewinnt an Zweckmäßigkeit, so ist es eben auch zu Hause. Das Künstliche rückt in das Zentrum der Realität. Der Zauberkreis der Geschichte versinkt im Dämmer. Wie getrocknete Lehmziegel, auf die ein langer Sommerregen fällt, so sind die alten Buchstaben von der Zerstreuung und Auflösung betroffen. Übermächtig, so scheint es, dominieren die wie in Stein gemeißelten Zahlen. Es wird Zeit zu einer poetischen Gegenoffensive, denn immer mehr erweist es sich als unmöglich, eine Kultur allein auf Zahlen zu bauen. Doch erst auf der Fahrt in die Tiefe, der Inbesitznahme des Lebenden durch das Tote, erwächst die Kraft für neues Leben und neues Erblühen. Jede Generation steht daher auch vor der Aufgabe, ihre Vergangenheit neu zu erfinden. Jammern hilft nicht. Schon Thomas Hobbes klagte darüber, was er bei Plautus gelesen hatte: »Homo homini lupus.« Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Auch die Demokratie hat eine Geschichte und einen gegenwärtigen Stand. Selbst Thomas Jefferson erwähnte, was er Treffendes bei Col. Jeff Cooper gelesen hatte: »Demokratie ist, wenn zwei Wölfe und ein Schaf darüber abstimmen, was es zu essen gibt.« Morgen gibt es Kotelett.