Satyricus
(Uwe Lammla)

So alt die Welt‚ so alt der Streit
Im Geiste‚ was da wahr und echt‚
Was einem Spaß‚ ist anderm Leid‚
So sagts die Regel im Gefecht‚
Am Markte wie am Hofe wills
Des Narren Art‚ er übertreib‚
Der Buchdruck ward ein Hefepilz‚
Und ewig fruchtbar scheint dies Weib.

Die Keule und die Nadel stehn
Als Pole aller Waffenkunst‚
Die Feinde huhngefiedert sehn‚
Verspricht der Teer der Musengunst‚
Nicht hat der Tiger solch Gezähn‚
Wies packt und peinigt schräg und schrill‚
Verfährt der Dichter souverän
Mit Spott und Stachel und Pasquill.

Menipp gab dieser Gattung Glanz‚
Daß sie nicht mehr ein Schmuddelkind‚
Bekannt die Worte Quintilians‚
Satiren gänzlich unser sind‚
Ob Republik‚ ob Prinzipat‚
Zu kritteln gibt es Grund und Lust‚
Und das Erlaubte ist ein Grat‚
Den du mit Scharten schmücken mußt.

Ob Sermon‚ Hexameter-streng‚
Ob Epigramm‚ ob Satyrspiel –
Gar manchwer lieber Toten säng‚
Geriet er selbst zum Angriffsziel‚
Im Mittelalter war solch Tun
Didaktisch‚ denn des Teufels Rührn‚
Steckt auch der Huf in Lederschuhn‚
Ist löblich sehr zu überführn.

Das Narrenschiff Sebastian Brants‚
Und Eulenspiegels Narretein‚
Sie machten zur Gewißheit ganz‚
Daß auch die Deutschen Spötter sein‚
Tut Huttens Dunkelmännerbrief
Daß den Papisten Eifer pack –
Von dems nie hieß‚ er staple tief‚
Steht da als Teufels Dudelsack.

Harmloser wird dies im Barock‚
Hier zeigt sich das Geschmähte oft‚
Wie auch der Engel Goldgelock
Als Mesalliance‚ die doch erhofft‚
Der Ritter trauriger Gestalt‚
Der wider Mühlenflügel stritt‚
Zieht einsam im Gelächterwald‚
Jedoch der Autor reitet mit.

Drum sieh im Lärm die Träne leis‚
Die tropft dem Spötter auf die Wang‚
Auch Heines Fahrt ins Brockeneis‚
War vorgewähnter Untergang‚
Oft zeigt ein melancholicus
Mit Pfeffer und mit Lebertran‚
Die Narren er betölpeln muß‚
Daß ihn nicht faß der nackte Wahn.

Gleichwohl verfehlt nenn ich die Lehr‚
Jed Schimpfen stünd im Selbstbezug‚
Daß nur die Traub weit oben wär‚
Nennt man den Dichter Volksbetrug‚
Da schaut euch bloß die Schöpfung an‚
Nicht nur daß er ein Meister sei‚
Sprach Gott und spielte oft den Mann
Von Parodie und Narretei.

Die Zeit‚ in der wir selber tun‚
Ist tief zerrissen im Gefühl
Fürs rechte Wirken und fürs Ruhn‚
Drum sind ihr selbst die Bäder schwül‚
Der Pfeil‚ der von der Sehne sirrt‚
Weiß kaum noch welches Ziel ihm taugt‚
Dem Walde‚ drin der Ritter irrt‚
Ward alle Wirklichkeit gesaugt.

Für Schemen taugt kein Kabarett‚
Dem Spiegelsaal-Grimassenziehn
Ist aggressiv gleich wie adrett
Nur Eifersüchtelei und Spleen‚
Drum muß‚ wer seine Zunge spitzt‚
Sich bilden an des Volkes Not‚
Erst wenn die Sorg sein Herz besitzt‚
Wird auch die Schreibe herzensrot.

Wem aber Häme Zeitvertreib
Und wer bei seinem Publikum
Nur kitzeln mag den Unterleib‚
Der erntet‚ was gemein und dumm‚
Gelächter macht noch keinen Witz‚
Und rote Ohrn kein Musenstück‚
Eh aus den Wolken strahlt der Blitz‚
Ziehn sie ein sehr sehr langes Stück.

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